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Grabnummer: 1 040

Levi Zierle

Früher: Zirle, Gattin des Löb S., aus Klingen)M(ünster)

Gestorben und begraben Donnerstag, 1. Mai 1800.
 
1 040

Hochrechteckige Stele mit eingezogenem Bogenabschluss, auf den Schultern gerundete Eckakroterien, darunter horizontale Rahmenleiste zur Unterteilung des vertieften Schriftfeldes. Reliefierte Blüte zwischen den beiden Buchstaben der Einleitungsformel. Schrift auf der Vorderseite erhaben, auf der Rückseite eingetieft.
 
Z. 2: א"ח, אשת חיל, „die tüchtige Gattin“, Sprüche 12,4 und 31,10.
Z. 2b/3: Zum Vergleich mit Abigail siehe Stein 1 027.
Z. 3: Der Buchstabe vav („und“) am Zeilenbeginn überflüssig und nicht übersetzt.
Z. 4: Sprüche 31,18; in der Bibelübersetzung von Buber/Rosenzweig heißt es: „Sie bekommt zu schmecken, wie gut ihr Handelswerk ist“. Das erste Wort verschrieben, richtig.טעמה
Z. 5: Dieses Lob wird Frauen gelegentlich nachgerufen, es hat im Unterschied zu den anderen Zeilen dieser Eulogie keinen Anhalt in Bibel oder Midrasch. Interessanterweise heißt es gerade im Kontext mit dem Abigail-Vergleich in anderen Inschriften (z.B. 1 074) ebenso gern צנועה (היתה) כדבורה, „züchtig (war sie) wie Debora“, wobei nur ein Buchstabe anders ist – statt des ב bet („in“) steht vor dem letzten Wort ein כ kaf („wie“). Ob dies die ursprüngliche Version war? Die beiden Buchstaben sehen sich ähnlich und sind in Inschriften nicht immer gut zu unterscheiden. Über die Züchtigkeit der Richterin und Prophetin Debora (siehe Richter, Kapitel 4 und 5) wird in bMeg 14a berichtet, dass sie deshalb unter einer Palme saß (wo sie Gericht hielt), um sich nicht allein mit einem Mann im Haus aufzuhalten.
Z. 6: Vgl. den Midrasch RutR 4,6, wo Ruths wohlgefällige Taten näher beschrieben werden, vor allem als züchtiges Verhalten, auch in Bezug auf Kleidung und Zurückhaltung im Gespräch mit Männern. Vgl. auch BerR 23,3 und RutR 2,5; 3,6, wo es zur Erklärung der Namen נעמה Naama (in der rabbinischen Tradition Noahs Frau) bzw. נעמי Noomi (Ruths Schwiegermutter) jeweils heißt: שהיו מעשיה נעימים, „da ihre Taten wohlgefällig (ne‘imim) waren“.
Z. 6b/7: Psalm 45,14, siehe den Stein S 109. Das erste Wort des Zitats am Ende von Z. 6 verschrieben, richtig כל, „alle“.
Z. 8: 2 Samuel 14,2, dort unbestimmt אשה חכמה. Dies ist eine Anspielung auf eine weitere biblische Frauengestalt, die weise Frau von Tekoa, die auf Joabs Betreiben hin König David dazu bewegt, seinem geflohenen Sohn Absalom die Rückkehr nach Jerusalem zu gestatten.
Z. 9: Vgl. Psalm 68,19; bShab 88b.
Z. 10: Zirle, abgeleitet vom biblischen Namen Sara. Der abgekürzte Beiname des Vaters ס' vermutlich zu סג"ל, SeGaL, zu ergänzen.
Z. 10/11: Der abgekürzte, zeilenübergreifende Ortsname ק' מ', (K“M) zu Klingenmünster ergänzt.
Z. 11: Die knappe Angabe ohne יום („Tag“) vor dem Wochentag ist in Ingenheim gelegentlich zu sehen. Hier fällt jedoch auf, dass mit ובֹהו auch ein Wort aus Genesis 1,2 zu lesen ist, dort: תֹהו ובֹהו (tohu va-wohu), „öd’ und wüst“ (Zunz) – ein Zufall? Läse man בהו als Chronogramm für den Monatstag, wäre es der 13. Ijjar 560 = 8. Mai 1800.
Z. 12: Der letzte Buchstabe stark verbreitert als Zeilenfüller.
 
Reim auf -ah in Z. 2-9.
Abkürzungszeichen: Punkte.
 
Die Lobrede für Frau Zirle ehrt sie und ihr wohlgefälliges Tun ausführlich und vergleicht sie dabei gleich mehreren biblischen Vorbildern. Neben der direkt angesprochenen Abigail – und womöglich auch Debora? – sind dies vermittelt durch die Zitate Ruth (und Noomi), die weise Frau von Tekoa und natürlich die tüchtige Gattin aus dem Buch der Sprüche. Die Formulierungen dieser Eulogie sind im 18. und 19. Jahrhundert sehr populär und finden sich auf verschiedensten Friedhöfen, nahezu identisch beispielsweise in Beverungen 1727 (http://www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat?id=bev-56) und in Darmstadt 1795 (http://www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat?id=da1-33). Es dürfte dafür breit kursierende Vorlagen gegeben haben.
 

Text Vorderseite (Osten):


1      פ"נ
        אשת חיל צדקה
        ועשתה (!) כאביגיל
        טמעה (!) כי טוב סחרה
5      צנועה היתה בדבורה
        מעשיה הי' נעימה כי (!)
        כבודה בת מלך פנימ'
        היא האשה החכמה
        עלתה נשמתה למר'
10    צירלה א' כ' ליב ס' מק'
        מ' נ' ו' ב' ה' ו' אייר תק"ס ל'
        ב"ז תנצב"ה
 
1      Hier ist begraben
        die tüchtige Gattin, Wohltun
        wirkte sie wie Awigail,
        sie spürte, wie gut ihr Erwerb,
5      züchtig war sie in ihrem Reden,
        ihre Taten waren wohlgefällig, alle
        Herrlichkeit der Königstochter ist im Innern,
        es ist die weise Frau,
        ihre Seele stieg auf zur Höhe,
10    Zirle, Gattin des geehrten Löb S. aus K(lingen)-
        M(ünster), verschieden und begraben am (Tag) 5, 6. Ijjar 560 der kleinen Zählung.
        Um dessentwillen sei ihre Seele eingebunden in das Bündel des Lebens
 
 

Text Rückseite (Westen):


 
        צירלה
 
Zirle
 
 

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